„Eine weitere Untersuchung belegt das Ausmaß von Diskriminierung in Deutschland. Die Politik ist dringend aufgefordert, dies auf ihre Agenda zu setzen“, erklärt Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), anlässlich einer aktuellen Untersuchung des Forschungsbereichs beim Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Danach fühlen sich Menschen, deren Äußeres auf eine Einwanderungsgeschichte hinweist, weitaus häufiger diskriminiert als Eingewanderte, deren Erscheinungsbild sich nicht durch Merkmale wie Hautfarbe oder Kopftuch von der Mehrheitsbevölkerung abhebt. Der Untersuchung zufolge ist jeder Zweite betroffen. Bekir Altaş weiter:
„Die Studienergebnisse überraschen nicht: Ausgrenzung und Diskriminierung sind für Menschen mit nichtdeutschem Aussehen oder Frauen mit Kopftuch leider Alltag. Deshalb ist es höchste Zeit, das Thema Diskriminierung auf die politische Agenda zu setzen und anzupacken. Wir brauchen eine ehrliche und durchgreifende Debatte über Mechanismen, die zu Ausgrenzungen von Menschen führen – in Gesetzen, im Staatsapparat und innerhalb der Gesellschaft.
Es ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber keine Nachbesserungen am Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vornimmt. Nach wie vor scheitern viele Klagen an der Beweislasthürde oder werden mangels Verbandsklagerecht erst überhaupt nicht angezeigt. Die Betroffenen fühlen sich oft im Stich gelassen.
Nicht nachvollziehbar sind auch gesetzliche Kopftuchverbote, die in der Privatwirtschaft und im Alltag für viele Menschen als Vorlage dienen und kopiert werden. Frauen mit Kopftuch werden so nicht nur vom Lehrerpult oder von der Richterbank verbannt, sondern auch bei der Wohnungs- oder Arbeitsuche ausgegrenzt. Es ist zutiefst irritierend, wenn das Wort ‚Islam‘ im Sondierungspapier ein einziges Mal auftaucht mit der Endung ‚ismus‘.
Überfällig ist zudem auch eine Debatte über institutionellen Rassismus in Deutschland. Dieses Thema darf nicht weiter totgeschwiegen werden. Es gibt Fälle und Beispiele genug, die zeigen, dass das Problem sowohl in den Sicherheitsbehörden als auch in der Verwaltung oder im Bildungsbereich flächendeckend existiert. Es gibt zahlreiche Automatismen im Staatsapparat, die Menschen mit ausländischen Wurzeln systematisch benachteiligen. Von existenzieller Bedeutung für die Glaubwürdigkeit unseres Rechtssystems sind insbesondere unabhängige Beschwerdestellen gegen die Polizei.
Von alledem ist in dem Sondierungspapier von Union und SPD allerdings nichts zu lesen. Es ist ein Armutszeugnis für ein Einwanderungsland, dass diese Probleme an den zwei Volksparteien der Republik spurlos vorbeigehen. Stattdessen haben sich Union und SPD auf ein neues Einwanderungsgesetz geeinigt. Wie sich die Menschen gegen Ausgrenzung und Benachteiligung wehren sollen, interessiert die Politik offenbar nicht.“