Verehrte Muslime!
Als unser Prophet von der Geschwisterlichkeit unter Muslimen sprach, verschränkte er die Finger seiner beiden Hände ineinander und sagte: „Der Gläubige ist dem Gläubigen wie ein Mauerwerk: Ein Teil davon stützt den anderen.“[1] Ein anderes Mal erklärte er: „Die Gläubigen in ihrer Zuneigung, Barmherzigkeit und ihrem Mitleid zueinander gleichen einem Körper: Wenn ein Teil davon leidet, reagiert der gesamte Körper mit Schlaflosigkeit und Fieber.“[2]
Liebe Geschwister!
Seit den 1930er Jahren leiden unsere uigurischen Geschwister unter Gewalt und Verfolgung. Sie werden seit der Besetzung Ostturkestans durch China systematisch unterdrückt. In den letzten Jahren hat sich die Situation leider verschärft und die Form eines Völkermordes angenommen. Über 10 Millionen Uiguren werden vor den Augen der Weltöffentlichkeit ihrer Menschenrechte beraubt.
Der Islam gelangte durch den Tābiʿi Qutayba b. Muslim Al-Bāhilī im ersten Jahrhundert der Hidschra nach Ostturkestan.[3] Heute ist das religiöse Leben, wie z. B. das Gebet, das Fasten, die religiöse Erziehung, sowie Charakteristiken des Islams, wie etwa das Kopftuch und der Bart, gänzlich verboten.
Verehrte Muslime!
Das menschenverachtende Vorgehen in Ostturkestan zeigt die Intoleranz und Feindseligkeit Chinas gegenüber anderen Kulturen und Religionen. Der chinesische Staat lehnt die Vielfalt im eigenen Land ab und sieht Unterschiede als Gefahr.
Durch die Überwachungs- und Umerziehungsmethoden verstößt China gegen die internationalen Menschenrechte. Die chinesische Regierung schränkt die Uiguren in ihrer Religionsfreiheit und Selbstbestimmung enorm ein.
Nirgendwo herrscht ein solches Vorgehen wie in China. Chinesische Regierungsbeamte werden in muslimische Familien platziert, um sie auf Schritt und Tritt zu bewachen. Damit wird die Privatsphäre, das Familienleben und die Würde der Uiguren zutiefst verletzt. Ferner, werden die Muslime gezwungen, nichtmuslimische Namen anzunehmen. Wer den Koran oder andere islamische Bücher besitzt, wird als Terrorrist eingestuft. Mehr als eine Million inhaftierte Muslime sind in Vernichtungslagern untergebracht, welche seitens der chinesischen Regierung mit dem Namen „Umerziehungslager“ beschönigt werden. Dort werden die etwa eine Millionen Insassen gefoltert und zum Verzehr von Alkohol und Schweinefleisch gezwungen. Gleichzeitig werden sie durch kommunistische Propaganda indoktriniert.
Leider schweigt die Weltöffentlichkeit. Auch die muslimische Welt lässt nichts von sich hören. Ideologische, politische und wirtschaftliche Interessen wiegen schwerer als Menschenrechte. Auch wichtige Persönlichkeiten fallen der Verfolgung Chinas zum Opfer.
Erst vor einem Jahr wurde der uigurische Gelehrte Muhammad Salih Hajim seitens der Regierung grundlos ermordet. Er hatte zuvor den Koran und zahlreiche Hadith-Bücher in die uigurische Sprache übersetzt.
Liebe Geschwister!
Die Muslime Ostturkestans brauchen dringend Hilfe. Unser Prophet sagte: „Der Muslim ist des Muslims Bruder. Weder unterdrückt er ihn, noch lässt er ihn im Stich, noch schätzt er ihn gering.“[4] Im Koranvers, den wir am Anfang der Hutba rezitiert haben, heißt es: „Die Gläubigen, Männer und Frauen, sind einander Freunde und Verbündete.“ Ohne Zweifel erfordert unser Îmân, dass wir den Unterdrückten beistehen. Im weiteren Verlauf des Verses heißt es: „Sie gebieten das Rechte und verbieten das Unrechte und verrichten das Gebet und zahlen die Zakat und gehorchen Allah und seinem Gesandten. Sie – Gewiss, Allah erbarmt sich ihrer. Siehe, Allah ist mächtig und weise.“[5]
Verehrte Muslime!
Es wird uns als einzelne Personen kaum möglich sein, das Leid in Ostturkestan zu stoppen. Dennoch gibt es Möglichkeiten, um zu helfen. Wir können die technischen Mittel unserer Zeit nutzen, um auf die Ungerechtigkeit gegenüber den Uiguren bei jeder Gelegenheit aufmerksam zu machen und ein Bewusstsein für ihre Situation zu schaffen. Wir können uns mit anderen Menschen zusammentun und uns für die Verteidigung der Menschenrechte einsetzen.
Möge Allah unseren Geschwistern in Ostturkestan und allen anderen Unterdrückten und Notleidenden helfen, sie befreien und beschützen. Mögen wir zu jenen gehören, die sich jederzeit im Angesicht von Ungerechtigkeit für die Wahrheit aussprechen. Âmîn.
[1] Vgl. Muttafakun alayh; Buhârî, Salât, 88, Hadith Nr. 481; Muslim, Birr, 17, Hadith Nr. 2585
[2] Muttafakun alayh; Buhârî, Adab, 27, Hadith Nr. 6011; Muslim, Birr, 17, Hadith Nr. 2586
[3] Vgl. Ḏahabî, Siyar A’lâm an-Nubalâ, 4/410
[4] Muslim, Birr, 10, Hadith Nr. 2564
[5] Sure Tawba, 9:71
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